Liebe Gemeinden!

Dieses Fest heute lebt von den Bildern, lebt vom Staunen. Ich will dieses erstaunliche Geschehen nicht erklären. Das Geheimnisvolle an diesem biblischen Bericht lässt sich nicht auflösen. Ich will dieses erstaunliche Geschehen nur deuten, als etwas, das uns Wegweisung und Unterstützung gibt. Wenn etwas aufsteigt, spricht das unsere Sehnsucht an. Alles drängt nach oben. Oben ist das Heil und Unten ist das Elend. Ein Archetyp, der sämtliche Mythologien und Geschichten durchzieht. In unseren Träumen, in unseren Märchen überall suchen wir zu fliegen, suchen wir aufzusteigen, denn das Gute finden wir oben, auf dem Berg oder noch höher. Viele Mythen gibt es, in denen Menschen zum Olymp aufsteigen, zu Göttern erhoben werden. Es entspricht einer tiefen Sehnsucht in uns.

Das Geschehen an Himmelfahrt aber ist ganz anders. Himmelfahrt können wir nur im Zusammenhang mit Weihnachten und Ostern verstehen. Der, der da aufsteigt, ist der, der herabgestiegen ist. Der, der seine Macht aufgegeben hat, sich entäußert hat. Davon haben wir noch nie gehört. Davon träumt keiner, dass einer freiwillig hinabsteigt. Für uns Menschen ist es nur ein Alptraum, wenn wir stürzen, hinabfallen, hinuntersteigen. Himmelfahrt zeigt uns, dass Himmel und Erde verbunden sind. Dass Christus der Mittler, die Brücke ist zwischen Gott und Mensch. Und wenn es diese Brücke gibt, dann steht uns, jedem von uns der Himmel offen. Himmel hat nichts mit einer Flugreise zu tun. Das Wort Himmel bezeichnet das Ziel unserer Sehnsucht, den Ort, wo alles Gut ist. Fragen wir Kinder: Wo wohnt Gott: Sie antworten: Im Himmel. Die Antwort ist falsch, weil die Frage falsch ist. Wir müssen fragen: Wo ist der Himmel: Und die Antwort lautet: Der Himmel ist in Gott. Jede Brücke, die uns Gott näher bringt, bringt uns dem Himmel näher. - und dieser Himmel ist nicht nur oben, sondern auch um uns herum, mitten unter uns. - dieser Himmel ist nicht nur in der Zukunft, er war immer schon da und er erfüllt auch unsere Gegenwart, wenn wir ihn ergreifen. - Dieser Himmel ist nicht nur eine geistige Sache, er ist sinnlich erfahrbar und erlebbar, er ist für uns Menschen geschaffen, auch wenn wir ihn nicht begreifen und verstehen können.

Himmelfahrt, das sind viele Bilder, die eine unbeschreibliche Sache andeuten. Mit weniger als diesem Himmel sollen wir uns nicht zufrieden geben. Mit weniger als diesem Himmel, der größer ist als alles, was wir uns vorstellen können. Jesus stieg herab um wieder heimzukehren. Seine Auffahrt zum Himmel war wie eine Heimkehr. In der Heimkehr liegt die Vollendung. Das gilt für Christus. Das gilt auch für uns. "Du siehst mich" - ist die Losung des evangelischen Kirchentags in Berlin und Wittenberg, der gestern begann. „Du bist ein Gott, der mich sieht“ Die Worte stammen aus dem 16. Kapitel des Buch Genesis. Hagar, die ägyptische Sklavin von Sarai, der kinderlosen Ehefrau Abrahams, lässt sich auf deren Geheiß von Abraham schwängern und wird anschließend so von ihr gedemütigt, dass sie flieht. An einer Wasserquelle in der Wüste trifft sie einen Engel, der sie zurückschickt, ihr aber zweierlei verheißt: Ihre Nachkommen werden zahlreich sein – was sonst in der Bibel nur Männern zugesprochen wird –, und ihr Sohn Ismael wird als freier Mensch im Land wohnen. „Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht“.

Wenn wir gesehen werden, dann verändert das unser ganzes Leben. Das Leben ist nicht mehr privat. Unser Leben wird zu einem Leben auf der Bühne. Für manche ist das erschreckend. Sie wären lieber isoliert in der Unbedeutendheit. Es wäre ihnen lieber, sie könnten sich ganz unbesehen ihrem Konsum und ihren Süchten widmen. Wir Menschen aber sind darauf angelegt geliebt zu werden. Und dazu gehört, dass wir gesehen werden. Einen Menschen mit Maske kann man nicht lieben oder eine Rüstung aus der nichts hervorschaut. Ein offener Himmel ist die Voraussetzung dafür, dass unsere ganze Welt, die Schöpfung Gottes in Liebe gehalten wird. Du siehst mich, das heißt der Himmel ist unser Publikum, diese Sichtweise verändert unser Verhalten entscheidend, jeden Tag und jede Stunde, die wir leben. Wenn ich angesichts des Himmels handle, dann bewahre ich die Schöpfung, die aus dem Himmel geschaffen wurde. Wenn ich angesichts des Himmels handle, dann ich es nicht wichtig, ob ich erwischt werde, wenn ich einem Menschen schade, durch Lüge oder Diebstahl. Am Ende steht das gerechte Gericht. Wenn ich angesichts des Himmels handle, dann denke ich nicht nur an die Zeit der Aufführung in diesem Menschenleben. Angesichts des Himmels denke ich an das Leben, das über meine Menschenzeit hinausgeht. Und dennoch gilt uns das Schriftwort: Schaut nicht zum Himmel. Es ist die Mahnung im Evangelium an Himmelfahrt. Schaut auf die Menschen um euch herum und handelt. Wir wollen diese Mahnung ernst nehmen in unseren Gemeinden die wir jetzt zum Gottesdienst versammelt sind..

Pfr. Gerald Warmuth