Liebe Gemeinde!
Fronleichnam ist das Fest des Brotes. Das Brot ist ein uraltes Symbol. Das Brot ist ein Zeichen für Heimat und Freiheit. In der Geschichte Gottes mit den Menschen ist dieses Zeichen immer wieder an entscheidender Stelle zu finden.
In der Schriftlesung haben wir von Abram und Melchisedek gehört. Abraham wanderte mit seiner Familie und seinen Tieren als Hirte umher. Es ist ein hartes Leben, in der Abhängigkeit vom Wetter. Bleibt der Regen aus, ist das Weideland abgegrast, so geht die Nahrung aus. Die Hirten waren selten erwünscht, sie wurden gehetzt, keiner will sie haben. Vor allem bei uns in Leutenbach und in Winnenden gibt es viele, die das erlebt haben und gut verstehen, was es heißt fremd zu sein und als Gast herzlich aufgenommen zu werden.
Der König Melchisedek ließ den Hirten Abraham siedeln. Er schließt einen Bund mit ihm. Abraham darf siedeln gegen die Abgabe des Zehnten Teiles seiner Ernte. Der König Melchisedek bietet Abraham eine Heimat, diesem wandernden Aramäer. Der König von Salem bringt dem Stammvater Israels Brot und Wein heraus.
Brot und Wein sind ein Zeichen des Bundes, ein Zeichen für Heimat, bis heute. Wenn wir heute Eucharistie feiern, dann wird uns Heimat angeboten. Wir sind keine Nomaden, die mit ihren Herden durch die Steppe ziehen. Aber wir sind auch ruhelose Wanderer durch den Alltag dieses bewegten Jahrhunderts und durch die rasch wandelnde Gesellschaft. Im Gottesdienst jetzt wird uns das Brot gereicht, das Zeichen der Heimat, in die wir aufgenommen sind. Alle die an diesem Mahl teilnehmen, sind keine Fremde mehr. Sie schließen den neuen Bund. Egal ob deutsch oder Ausländer, ob katholisch oder evangelisch, das eucharistische Mahl löst diese Unterschiede auf. Wer mit am Tisch sitzt, hat eine Zuflucht, er gehört zu uns. Jeder hat ein Heimatrecht, dem dieses Brot gereicht wird.
Was kann unsere beiden Gemeinden mehr verbinden als dieses gemeinsame Mahl. Das Brot ist Zeichen der Heimat. Wenn wir dieses Mahl heute (im freien) Feiern, dann ist das fast eine Demonstration. Eine Demonstration für Gastfreundschaft. In dieser Demonstration zeigen wir nicht die kalte Schulter, sondern die warme Schulter. Die warme Schulter bieten wir an um die Last des Fremden mitzutragen. Wir alle sind ein Stück weit fremd in einer Welt, in der es viel Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit gibt. Wir werden gesegnet und eingeladen in die Heimat, die Gott uns bereitet. Wir sind beides. Kinder von Abraham, dem wandernden Aramäer. Wir kennen die Not als Fremde in einer fremden Welt. Und darum sind wir auch verpflichtet Kinder von Melchisedek zu sein. Weil wir empfangen haben, weil wir die Heimatlosigkeit kennen, geben wir auch anderen Anteil an unserem Leben.
In der spanischen Sprache nennt man einen Freund einen companero. Pan bedeutet Brot. Ein Companero ist einer, der mit mir am Tisch sitzt, einer, der mit mir das Brot isst, einer, der mit mir sein Brot teilt. Das Teilen ist die Konsequenz aus der Erfahrung der Heimatlosigkeit und aus der Erfahrung, dass wir mit Brot empfangen worden sind. Fronleichnam ist das Fest des Brotes und damit auch eine Demonstration des Teilens. Im Evangelium hören wir von einem Geschehen, das fast ein Wunder ist. Es ist ein Wunder, das auch heute immer wieder geschieht. Dort wo Menschen nicht versuchen die eigene Haut zu retten, dort wo Menschen alles hergeben um zusammenzulegen, geschieht dieses Wunder. Am Ende reicht es für alle. Wenn es einen Kuchen zu verteilen gibt und jeder versucht sich soviel wie möglich zu sichern, bleiben alle hungrig und gierig zurück. Wenn aber jeder überlegt, wie viel brauche ich wirklich und wie viel kann ich den anderen abgeben, auf wie viel kann ich verzichten, dann sind meist alle zufrieden und es bleibt sehr viel übrig, wie einst bei der Speisung der 5000.
Das Wunder des Teilens ist kein einmaliges Ereignis vor 2000 Jahren. Dieses Wunder geschieht bis heute immer wieder, und es ist ansteckend. Es breitet sich aus wie eine Infektion. Dieser Geist des Teilens ist aber keine ansteckende Krankheit. Es ist wie eine ansteckende Gesundheit. Das Wort Fronleichnam bedeutet Dienst am Leib des Herrn. Das ist nicht ganz leicht zu verstehen. Leib ist dabei nicht dasselbe wie Körper. Es geht nicht darum den Körper Jesu in Brot zu bannen und zu ergreifen. Etwas in der Hand zu haben, was uns Sicherheit gibt. Das griechische Wort für den fleischlichen Körper heißt „sarx“. Das Wort für den Leib eines Menschen ist aber „soma“. Der Leib eines Menschen ist mehr als sein Körper. Alles, was ein Mensch geschaffen und gewirkt hat, macht seinen Leib aus. Das Haus, das er gebaut hat, der Garten, den er gepflanzt hat, der Verein, den er gegründet hat, den Brief, den er geschrieben hat, der Mensch, den er mit seiner Liebe erzogen hat, all das macht seinen Leib aus. Der Leib Christi ist viel mehr, als sein Körper, der am Kreuz gehangen ist. Derr Leib Christi ist unfassbar und unbegreiflich.
Das göttliche Wesen können wir nicht verstehen und fassen. So gerne hätten wir Halt und Sicherheit. Aber das Brot, das wir in der Prozession tragen, gibt keine Sicherheit. Es gibt uns Hoffnung. Die Monstranz ist keine Waffe, mit der wir uns in dieser Welt wehren können. Das unfassbare Geheimnis Gottes können wir nur berühren. Wenn wir aber das Unfassbare berühren, strömt die Liebe Gottes in uns. Mit dieser Liebe treten wir der Welt mit ihren Herausforderungen gegenüber. Die Hände der Osterkerze, die Hände des Blumenteppichs sind tastende Hände. Sie wollen das Heilige berühren. Wer vom Leib Christi angerührt ist, der ist verwandelt und gestärkt. Wir Menschen suchen oft Sicherheit bei Gott. Wir würden ihn gerne als unseren Besitz betrachten. Das würde uns aber zu Marionetten machen. Gott will von uns geliebt werden und deswegen müssen wir frei sein. Nur freie Menschen sind wirklich liebesfähig. Liebende halten sich nicht fest, sondern berühren sich. Als Companeros, als Freunde feiern wir diesen Gottesdienst, diesen Tag und dieses Fest. Gehen wir dabei auch auf die zu, die wir noch nicht kennen, damit zusammenkommt, was zusammen gehört. Warum sollte uns nicht gelingen, was Abraham und Melchisedek vor 3000 Jahren gelang.
Pfr. Gerald Warmuth